DIE PROFESSIONALISIERUNG

//1998 - 2002

1997 endete im berühmt-berüchtigten-legendären Nürnberger KOMM die Selbstverwaltung und das Kulturzentrum ging in städtische Verwaltung über. Gleichzeitig begann die Sanierung des Veranstaltungssaales. Die alten Strukturen brachen größtenteils zusammen und das Theater4 zog  - erneut als Pionierpflanze - ein. 
Für Theater4 war es ein Quantensprung, trotz aller Widerigkeiten.

Ein Raum mit festinstallierter, professioneller Bühne, ein Backstagebereich, in dem jede Lampenfieberschrulle ausgelebt werden kann, ein Nebenraum für stilgerechten Sektverkauf, ein Zuschauerraum, der Luft und Platz für alle hat, ein Spielort mitten in der Stadt und endlich, endlich - Theateratmosphäre.

Unseren inhaltlichen Stil hatten wir gefunden. Nun begann eine Phase, in der die Rahmenbedingungen Stück für Stück verbessert wurden. Neue Ensemblemitlieder wurden erstmals über Vorsprechen rekrutiert, es gab eine Regieassistenz, Bühnentechniker und viele weitere hilfreiche Hände und Köpfe, die Teil des Projekts wurden.

Und so begannen wir nicht bei Null, aber waren weithin unbekannt.

Nach der Wiederaufnahme unserer "Kahlen Sängerin" zur Begrüßung des Großstadtpublikums folgte die Inszenierung eines Stücks von einem Autor, mit dem wir schon oft geflirtet hatten:

1998  //  So eine Liebe von Pavel Kohout

Eine unserer heimlichen Lieben, Pavel Kohouts Reise um die Erde in 80 Tagen war uns zwar immer noch ein paar Nummern zu groß, aber zu "So eine Liebe" trauten wir uns Ja zu sagen. Und wieder gab es eine Premiere in der Premiere zu feiern: Eigens für uns komponierte und so live wie virtuos vom Hauptrollendarsteller gespielte Geigenmusik machten Kohouts traurige Liebesgeschichte zum Schneuzstück mit Tiefgang und Hörgenuss.

1999  //  Blick auf Venedig von Günter Eich

Ein Jahr später war es einmal mehr Günter Eich, dem wir die Treue schworen:
Zwei Blinde warfen einen vielsagenden auf Venedig, unser Publikum auf eines der gelungensten Bühnenbilder aller unserer Produktionen. Die Innenwelt zweier Blinder wurde zu einem skurrilen Relief in Grau und Grau.

2000  //  Bäcker, Bäckerin und Bäckerjunge von Jean Anouilh

Voneinander und von sich selbst entfremdete Menschen, deren Egoismus nur noch den Traum als Ausweg offen lässt, tummelten sich bei der Theater4-Inszenierung auf der Bühne.
Ein Horror-Szenarium der Eitelkeiten, bei dem zum Glück auch die eine oder andere charmante Traumfigur spielerisch aus dem Vollen schöpfen durfte.

Etwas müde geworden von Last und Lastern der modernen Existenz und der Traurigkeit der Welt fanden wir wieder zu einer alten Liebe zurück - dem absurden Theater. Anspruchsvoll aber verständlich, komisch aber nicht oberflächlich, so wortgewaltig wie temporeich und eine Schatzkiste an Inspiration und Spielfreude - so hatten wir das Absurde mit der Kahlen Sängerin schätzen gelernt.

2001  //  Pastorale oder Die Zeit für Kakao von Wolfgang Hildesheimer

Ein schrilles Alpenpanorama, schräg-schöner Gesang und schaurige Trachten machten die Pastorale zwar nicht zu einer zweiten Sängerin, aber zu einem echten Theater4-Stück: Ein Stück zum Weinen und Lachen für Ensemble und Publikum. Eine große Liebe auf Zeit.

Im Jahr darauf war wieder ein alter Bekannter dran. Gleichzeitig betraten wir durch eine bisher von uns verschlossen gehaltene Tür der Dramenliteratur Neuland:

2002  //  Der tollste Tag von Peter Turrini

Nach "Rozznjogd" ein weiterer Besuch beim modernen Volkstheater und die erste Klassikerbearbeitung, die uns in die Tüte kam.
In gewisser Weise feiern wir mit allen unseren Premieren Hochzeiten, warum sollten wie also die Hochzeit des Figaro auslassen?

In fünf Jahren Nürnberg hatten wir einen Rahmen geschaffen, der aus Inspirationen und Ideen, Konzepten und Knabenblütenträumen, Spinnereien und Schubladenplänen Theater produziert, das einen nachhaltigen Beitrag zu einer lebendigen regionalen Kultur leisten kann.


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