ÜBER DEN AUTOR
//Günter Eich
Von der Skepsis zum gedichteten Schweigen.
Eich gilt unbestritten als einer der bedeutendsten Lyriker und Hörspieldichter deutscher Sprache nach dem zweiten Weltkrieg. Und dennoch: Günter Eich ist weniger bekannt, als seine Zeitgenossen und Kollegen der Gruppe 47, kein Nobelpreisträger wie Böll oder Grass, nicht provokant wie Walser, weder auf den Bühnen zu sehen, noch auf den oberen Plätzen der einschlägigen Literaturkanons verzeichnet. Vielleicht, weil er schwer einzuordnen ist, weil Lyrik und Hörspiele weniger leicht zu rezipieren und konsumieren sind.
Sicher ist: Eich ist schwer einzuordnen, in seiner Biografie kreuzen sich zwei Traditionslinien: Eine naturmagische und eine sprachskeptisch-ideologiekritische Linie. Ein Bruch? Nein. Kaum ein anderes Werk zeichnet sich durch eine solche Konstanz und Konsequenz aus. Eich gab seine Positionen nicht auf, er radikalisierte sie.
Als Lyriker begann Günter Eich mit romantischer, magischer Naturpoesie. Eines seiner bekanntesten Gedichte:
Oder, mein Fluß,
der keine Quelle hat:
In Tropfen sichert es
Aus Gebirge von Zeit,
Wasser, das nach Kindheit schmeckt.
Der, mein Fluß,
eine Breite, um Holüber zu rufen,
ein November für Regen
Schon in der 30er Jahren fand er den Weg zum Rundfunk und zum Hörspiel. Die Naturmagik Eichs fand bei den Verantwortlichen der von den Nationalsozialisten gleichgeschalteten Hörfunkanstalten durchaus Anklang. Seinen "Fährten in der Prärie" bestätigte z.B. der "Völkische Beobachter" am 18.7.1936: "Günter Eich ist ein guter Dichter, der zugleich mit den Voraussetzungen eines funkgerechten Hörspiels vertraut ist. Seine Sendungen sind kleine Funkereignisse, die sich aus dem üblichen Tagesprogramm herausheben."
Eich machte die bittere Erfahrung, dass seine Dichtung, anders gesagt seine bloße Teilhabe an einer Gesellschaft - denn ideologisch, gar propagandistisch waren seine Texte niemals - durch die von der Macht gelenkten Sprache interpretiert, funktionalisiert und missbraucht wurde. Nach dem Krieg standen die deutschen Dichter vor den Trümmern ihrer Muttersprache. Celans "Was sind das für Zeiten, in denen ein Gespräch über Bäume ein Verbrechen ist" und Adornos Diktum "Nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch" legen von der grassierenden Sprachlosigkeit Zeugnis ab. Eich begab sich auf die Suche nach Sprache - eines seiner berühmtesten Gedichte heißt vielsagend "Inventur" - und begann die Welt in Sprache zu übersetzen. Dennoch waren seine Gedichte und Hörspiele der 50er-Jahre noch bestimmt von romantisch-magischen Grundtönen ("Botschaften des Regens" 1955, "Das Jahr Lazertis" 1958).
Während dieser Zeit aber radikalisierte sich Eichs Wahrnehmung einer nach wie vor gelenkten Sprache. Die Legitimation der Macht spielte eine zunehmend untergeordnete Rolle. Ob nun seine Eltern Vater Staat oder Mutter Natur, ob die scheinbare Ordnung eines Wörterbuches bei dem "auf die Erbsünde die Erbswurst folgt", seine Dichtung verweigerte sich zunehmend einer Realität, die Eich als unvollkommen, als willkürlich entlarvte. Das Zitat aus seinem bekanntesten Hörspiel "Träume" "Seid Sand, nicht das Öl im Getriebe der Welt" wurde unverzüglich zum Slogan der kritischen Studentenschaft. Eich blieb auch gegenüber der Sprachregelung dieser Antwortgeber skeptisch. Aus seiner "Rede zur Verleihung des Georg-Büchner-Preises":
"Das Verzwickte an unserer Situation ist, dass die Antworten da sind, bevor die Fragen gestellt werden, ja, dass viele...Leute meinen, da es so gute Antworten gäbe, sollte man auf die Fragen überhaupt verzichten...Diese Lebensbejahung in gelenkter Sprache...Dieser ganze fatale Optimismus, so verdächtig und erwünscht und so genau nach Maß. Augen und Ohren fest verschlossen und ein strahlendes Lächeln auf allen Gesichtern, ein Lied, drei, vier, so maschieren wir zukunftsgläubig in die tausendundeine Unfreiheit. Es wird ernst gemacht, die perfekt funktionierende Gesellschaft herzustellen."
Spröde wurde Günter Eichs Dichtung in der Folge, bis hin zur Hermetik, zum anarchistischen Gestus und provokanten Unsinnigkeit. Ein Rückzug vor einer interpretatorischen Festlegung, um den Preis, immer weniger verstanden zu werden. Dafür aber: Missbrauch ausgeschlossen. Eich war nicht mehr einverstanden. Mit nichts. Mit keiner hermeneutischen, weltdeutenden Unternehmungen, einschließlich der Literatur.
"Die Vorsteherin der Frauenabteilung ermuntert uns außerdem zu dichten. Sie hat sich sagen lassen, daß ohnehin die Dichter für gewöhnlich beim Dichten die Augen schließen. Viele Verse deuten darauf hin. Homer soll auch blind gewesen sein."
Nicht einmal den Tod akzeptierte Günter Eich. Radikal und verzweifelt versuchte er in das Nichts der gelenkten Sprache ein Wort zu setzen. Kaum einem gelang das so berührend und klug wie Günter Eich.Auch in Nürnberg hat Günter Eich treue Leser.
Zuversicht
In Saloniki
weiß ich einen, der mich liest,
und in Bad Nauheim.
Das sind schon zwei.