SCHICKSALHAFT KOMISCH
//Eine Parabel auf Macht und Gewalt
Schicksalhaft komisch "(...) ich liebe ja die commedia dell'arte. Das ganze deutsche Denktheater kann mir gestohlen bleiben, für einen guten Theaterwitz." (Peter Turrini)
"Es sollte eine Komödie werden" heißt es am Ende dieses Stückes. "In der Komödie ist alles möglich" bemerkt Figaro während der turbulenten Handlung und Cherubin sieht sich zwischendrin bereits "frühzeitig aus dieser Komödie scheiden".
Und tatsächlich: Alle Ingredenzien, die eine gute Komödie benötigt, sind vorhanden. Baron de Beaumarché hat mit seiner Vorlage ganze Arbeit geleistet. Turrini poliert noch die Dialoge, fügt einen ordentlichen Schuss Tempo hinzu, entrümpelt und modernisiert. Alles scheint auf einen vergnüglichen Abend hinauszulaufen.
Quirlig nimmt das Verwechslungs- und Intrigenspiel seinen Lauf und verspricht zur turbulenten und gelungenen Klassikerpersiflage zu werden. Eine ganz vorzügliche Theatersuppe haben Turrini und Beaumarché da gebraut. Ein tolpatschiger Graf, ein umso gerissenerer Figaro, eine burschikose Susanne und ein betrunkener Gärtner bilden die bewährte Rezeptur.
Und doch ist man an manchen Stellen seltsam irritiert. Der Graf macht einem manchmal fast schon etwas Angst, Susanne ist gelegentlich ein wenig sehr ungehalten über manche Bemerkung und auch die Gräfin scheint ab und an eine Spur zu sensibel für eine gestandene Komödiengräfin. Man bemerkt es nicht beim ersten Löffel: Die Suppe ist versalzen.
Denn genau betrachtet ist die Handlung und damit das Schicksal dieser Figuren gar nicht komisch. Und noch genauer betrachtet ist diese Komödie eine Parabel auf Macht und Gewalt - Gewalt des Stärkeren gegen den Schwächeren, Gewalt der Macht gegen den Machtlosen, Gewalt des Mannes gegen die Frau. Dieser Umstand treibt die Komödie in die Enge.
Psychologisierende Innensicht ist für Komödienfiguren nicht vorgesehen, hier aber passiert sie. Eigentlich werden gerade im Schwank, im unterhaltenden Volkstheater machtwirksame Mechanismen deutlich, gesellschaftliche Realitäten transparent, vor allem deshalb, weil sie tunlichst vermieden werden und das "Happy end" beschworen wird. So wie sich lebende, gesprochene Sprache unabwendbar an die Lebensrealitäten des Sprechers anpasst, so spiegelt Volkstheater gesellschaftliche Realitäten, zwar verschwommen und indirekt, dafür aber ungewollt und deshalb umso erhellender.
Wer Komödienfiguren ernst nimmt, der ahnt, worüber er eigentlich lacht. Und er gesteht ihnen ihr Schicksal zu, das die Liebe zwischen Figaro und Susanne nicht zu einer Liebelei degradiert.
"Das Revolutionärste überhaupt ist das Lieben" (Peter Turrini)